Nominierung Bei der Kandidatenkür zur Landtagswahl setzt sich der Ortsvereinsvorsitzende im Unteren Filstal gegen den Kreisvorsitzenden Simon Dennenmoser mit klarer Mehrheit durch. Von Jürgen Schäfer
Er war sich ziemlich sicher, dass es reicht. Aber es reichte nicht für ihn. Simon Dennenmoser (28), Kreisvorsitzender und Kreisrat der AfD, unterlag dem Ortsvereinsvorsitzenden Unteres Filstal, Hans-Jürgen Goßner (49), bei der Kandidatenkür für die Landtagswahl im Wahlkreis Göppingen. Goßner, der auch dem Kreisvorstand angehört, hatte sich Chancen ausgerechnet und ein knappes Ergebnis erwartet. Er will nun ein Mandat für den Landtag holen – genauer gesagt: für die AfD zurückholen. Denn das jetzige AfD-Mandat hat Heinrich Fiechtner, der nicht mehr in der AfD ist. Das ist für Goßner ein Unding. „Mandatsdiebstahl“ warf er Fiechtner vor. „Das ist Betrug am Wähler und Betrug an euch“, sagte er den 48 von etwa 70 Parteimitgliedern, die zur Kandidatenkür ins Uditorium nach Uhingen gekommen waren.
Goßner zählt sich zu den Gemäßigten in der AfD. „Ich bin kein Anhänger von Kalbitz und Höcke“, sagt er über sich, „eher von Meuthen“. Er ging zur AfD, weil sie für ihn mit seinem konservativen Grundcharakter die einzige Alternative sei. Das Motto „erhalten statt umkrempeln“ sehe er bei keiner anderer Partei mehr. Die CDU sei unter Merkel nach links gerückt. Die CDU mit ihrer Frauenquote: Frau zu sein sei keine Qualifikation.
Beide Kandidaten empfahlen sich als Aktivposten für ihre Partei. Dennenmoser, der schon als 22-Jähriger zu der damals neuen AfD stieß und sonst wahrscheinlich Nichtwähler geworden wäre, wie er sagt, ist auch der AfD im Landtag verbunden. Nämlich als Experte für Innere Sicherheit. Das ist sein Thema. Er sei „mit Herz und Seele Polizeibeamter“ und erlebe, wie die Politik der Polizei in den Rücken falle. Man brauche einen starken Staat, aber der Staat weiche zurück vor aggressiven Parallelgesellschaften, die sich randalierend in Stuttgart und Frankfurt gezeigt hätten. Dennenmosers Selbstverständnis: Weil er seine Familie schützen wolle, sei er in der AfD. Er könne so als Patriot seinem Land dienen und später sagen, alles Âgegeben zu haben, um den Kindern eine bessere Zukunft ermöglicht zu haben. Jetzt habe man eine Gesinnungsdiktatur. Der Staat habe die Lufthoheit über den Kinderbetten. Dennenmoser ist auch Verfechter für mehr Demokratie – Volksabstimmungen wie in der Schweiz. „In unserer Demokratie hat das Volk fast nichts zu sagen.“
Für Goßner sind die Randalierer von Stuttgart „Sozialsystem-Invasoren“, die mit dem Ruf „Allahu akbar“ Städte in Schutt und Asche legten. „Wir brauchen mehr Polizei.“ Asyl sei ein Schutz auf Zeit. Wenn die Fluchtgründe beseitigt seien, müssten Flüchtlinge wieder zurück. Zuwanderung würde er erlauben, wenn man Fachkräfte brauche, beispielsweise in der Pflege, und sich die Migranten unserer Lebensweise anpassten. „Sie dürfen sich nicht von uns unterscheiden.“ Goßner zur Familie: Sie sei das Fundament der Gesellschaft, hier würden Kindern Werte vermittelt. „Kinder gehören zu ihren Eltern, nicht in die Kita.“ Goßner will Sprachrohr für die mittelständische Wirtschaft sein. Er arbeitet als kaufmännischer Angestellter bei einer großen Baufirma.
Goßner empfahl sich als Schaffer, der Pressemitteilungen verfasse, Flyer gestalte und mit seinem Ortsverband Beatrix von Storch und Alice Weidel in den Kreis geholt habe. „Das ist die beste Möglichkeit, nach außen zu zeigen: Wir sind da und haben etwas zu sagen.“ Jetzt gelte es, Briefkästen bestücken.“ Mit einem Infostand will er im Wahlkampf durch den Kreis ziehen, „überall Gesicht zeigen“.Die Gemeinschaftsschule lehnen beide Kandidaten ab. Goßner will auch wieder die Grundschul-Empfehlung. Denn: „Alle wollen ins Gymnasium, und dann fällt das Niveau.“
„Wir sind eine erwachsene Partei“
Ersatzbewerber Sandro Scheer kandidierte als einziger für das Amt des Ersatzbewerbers und übte in seiner Rede scharfe Kritik an der Bundesregierung. Er bekam 26 von 28 Stimmen. Scheer ist stellvertretender Kreisvorsitzender und Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Volker Münz.
Schaufeln Der frisch gekürte Kandidat der AfD im Wahlkreis Geislingen, Uwe von Wangenheim, brachte zwei Schaufeln mit: eine, um dem politischen Gegner das Wasser abzugraben, die andere, um interne Gräben zuzuschütten. Münz versicherte den Kandidaten: „Wir ziehen an einem Strang.“ Der parteiinterne Wahlkampf sei fair abgelaufen, sagte Goßner. „Wir sind eine erwachsene Partei.“
Quelle: NWZ vom 27.07.2020